Donnerstag, 5. Januar 2017, Nationalpark Souss Massa, Fluss Oued Massa, Atlantikküste, 10 bis 22 Grad, 8.30 bis 16 Uhr
Wir sind am Meer. Man merkt es sofort an den höheren Temperaturen. Unser Appartmenthotel liegt in einem kleinen Ort (Bild) mitten im Nationalpark Souss Massa. Der 340 Quadratkilometer große Nationalpark ist einer von zwölf marokkanischen Nationalparks. Er erstreckt sich von Agadir in südlicher Richtung bis nach Tiznit. Die Mündungen der Flüsse Oued Souss und Oued Massa liegen in dieser geschützten Zone. Während wir beim Frühstück sitzen – mit Blick auf das Meer – fliegt plötzlich ein Trupp Waldrappe an uns vorbei. Bis jetzt hatte ich mein Fernglas beim Frühstück nie dabei, aber das wird sich ab heute ändern ;-). Was für ein Start in diesen Tag.
Nur wenige Meter außerhalb des Dorfes legen wir bereits den ersten Halt ein. Ein größerer Steinhaufen (Bild) ist neben der Straße aufgetürmt. Darauf sitzen ganz entspannt zwei Steinkäuze (einer davon im Bild, Video > Youtube). Nachdem wir die beiden Eulen ausgiebig beobachtet haben, fahren wir nur kurz weiter und steigen aus dem Auto aus. Vor uns liegt eine schon ergrünte Wiese, dahinter der Atlantik. Allein dieser Anblick macht schon glücklich. Brahim zeigt uns ein paar Triele (Bilder, Video > Youtube) nicht weit von uns. Zuerst erkenne ich nur einige wenige Vögel, die – wie so oft – regungslos in der Landschaft stehen. Aber nach und nach entdecken meine Begleiter immer mehr von ihnen. Etwa hundert Triele zählen wir schließlich. Eine so eine große Menge habe ich noch nie gesehen.
Unser nächster Stopp ist etwas landeinwärts am Fluss Oued Massa. Im Uferbereich des Flusses bewirtschaften Bauern das Land. Dichte Buschreihen säumen die Felder, auf denen Klee angebaut wird. Kleine Bewässerungskanäle durchziehen das Gelände. Brahim bemüht sich erneut, den scheuen Senegaltschagra zu finden. Es klappt und der Senegaltschagra (Bilder) lässt sich kurz blicken. Nur für wenige Minuten kommt er aus dem Busch hervor und setzt sich auf einen Ast. Er brütet in tief gelegenen Regionen in trockenem, offenem Buschland. Mit seinem schwarzem Scheitel, dem breiten, langen cremeweißen Überaugenstreif und dem schwarzen Augenstreif ist er schnell zu identifizieren. Schade, dass er sich so schnell wieder im Gebüsch versteckt. Ich hätte ihn gerne noch länger beobachtet. Aber auch sonst ist einiges zu hören und zu sehen. Eine Theklalerche (Bild, Video > Youtube) zupft Samen von einer Grünpflanze. Im Dickicht eines hohen Busches hüpfen einige Weidensperlinge (einer davon im Bild) hin und her und lassen sich ebenfalls die Samen schmecken. Im Prachtkleid erkennt man den Weidensperling am rotbraunen Scheitel, den weißen Ohrdecken, der schwarzen Kehle und der grob schwarz gemusterten Unterseite. Anders als der Haussperling brütet er in hohen Gebüschen oder Baumgruppen, oft in großen Kolonien. Ganz nah am Weg sitzt ein Schwarzkehlchen (Bild) recht fotogen auf der Spitze eines Astes. Hier gibt es soviel zu sehen, dass ich gerne noch bleiben würde, doch wir fahren wenige Kilometer weiter, Richtung Norden.
Der nächste Beobachtungsplatz liegt auf einer Düne mit Blick auf die Atlantikküste und die Flussmündung des Oued Massa. Schnell machen wir eine große Anzahl von Waldrappen (Bilder) aus. Ungefähr Hundert haben sich am Strand versammelt. Der Waldrapp ist eine der am stärksten bedrohten Vogelart und nahezu ausgerottet. Neben kleineren Kolonien in Syrien, der Türkei und Südspanien, die teils aber von Menschen betreut werden, lebt im Nationalpark Souss Massa und an der Felsenküste bei Tamri nördlich von Agadir die letzte freilebende Population. Ungefähr 520 Vögel wurden 2014 gezählt. Quelle > Northern Bald Ibis Conservation Project in Morocco. Um die Art zu erhalten, wird die Regierung von Marokko von verschiedenen Organisationen aus der ganzen Welt unterstützt. Mehr Informationen > IAGNBI – International Advisory Group of the Northern Bald Ibis. Die marokkanischen Waldrappe haben allerdings ihr Zugverhalten verlernt. Dazu gibt es in Österreich und Deutschland ein noch nie dagewesenes Projekt. Siehe Artikel > Juni 2015. Waldrappe sind sehr gesellig und brüten an steilen Felsküsten. Sie suchen in trockenen Flussbetten, an Ufern und auf Feldern nach Insekten und Kleintieren. Doch nicht nur Waldrappe dürfen wir bewundern, auch Sichler (einer davon im Bild) zeigen sich uns im Vorbeiflug. Die Sichler gehören wie die Waldrappe zur Familie der Ibisse. Sichler brüten in Kolonien im Schilf, auf Büschen in Sümpfen oder flachen, vegetationsreichen Gewässern. Sie halten sich überwiegend in Südosteuropa auf, viele überwintern in Afrika. Auf einer großen, dem Ufer vorgelagerten Sandbank (Bild) haben sich Korallenmöwen, Heringsmöwen und Brandseeschwalben (Bild) niedergelassen.
Nach einem leckeren marokkanischen Essen in einem »Waldrapp-Restaurant« (Bild) fahren wir erneut zum Fluss Oued Massa (Bild). Hier kann ich endlich einmal eine Palmtaube (Bild, Video > Youtube) in Ruhe studieren. Die kleine, schlanke Taube ist wenig scheu und hält sich oft in Oasen auf. Sie brütet in Gehölzen, auch in Siedlungen. Als wir weitergehen, sehen wir zwei Kuhreiher (einer davon im Bild) aus nächster Nähe. Ein Bauer pflügt gerade sein Feld und die beiden Reiher hüpfen aufgeregt dem Traktor hinterher. Da gibt es halt genügend zum Fressen. Wir gelangen an das Ufer des Flusses, der an dieser Stelle aber eher wie ein kleiner See wirkt. Auf einer Insel haben sich jede Menge Kormorane niedergelassen. Den marokkanischen Kormoran (Bild) erkennt man an dem weißen Hals und der weißen Brust. Brahim weist uns aber auch auf einen jugendlichen Kormoran (Phalacrocorax carbo) (im Bild links) hin, der eine bräunlich gestrichelte Brust und eine gänzlich weiße Unterseite hat. Und zum Abschluss unseres Tages entdeckt Markus eine Zaunammer (Bild). Als ich vor dem Abendessen noch einen Spaziergang am Meer mache, kann ich mich noch über fünf Regenbrachvögel und fünf Sanderlinge freuen, die am Strand und auf den Felsen nach Nahrung suchen. Tolle Gegend.
Vogeltagesliste: Tafelente, Reiherente, Basstölpel, Kormoran, Kormoran maroccanus*, Kuhreiher, Graureiher, Waldrapp (ca. 100), Sichler* (ca. 20), Sperber, Gleitaar*, Turmfalke, Blässhuhn, Teichhuhn, Triel (ca. 100), Seeregenpfeifer, Sanderling, Flussuferläufer, Großer Brachvogel, Regenbrachvogel (5), Mittelmeermöwe, Korallenmöwe (ca. 50), Heringsmöwe, Brandseeschwalbe (ca. 20), Palmtaube, Türkentaube, Steinkauz, Haussegler, Theklalerche, Braunkehl-Uferschwalbe, Rauchschwalbe, Wiesenpieper, Bachstelze, Rotkehlchen, Diademrotschwanz, Schwarzkehlchen, Amsel, Samtkopf-Grasmücke, Zistensänger, Zilpzalp, Raubwürger elegans, Senegaltschagra, Graubülbül, Elster, Einfarbstar, Haussperling, Weidensperling, Bluthänfling, Stieglitz, Girlitz, Zaunammer
(* = meine persönliche Erstsichtung)