Dienstag, 24. Mai 2016 (wolkig, später etwas Sonne, sehr windig, ca. 13 Grad, kalter Frühlingstag), Graurinderkoppel, Apetlon, Wörthen Lacken, 10 bis 17 Uhr
Am Vorabend hat es in Illmitz ein heftiges Gewitter mit starkem Regen gegeben. Die Temperaturen haben sich deutlich abgekühlt und für den Vormittag wurde noch etwas Regen vorhergesagt. Da es immer noch sehr windig ist, steuere ich einen Beobachtungsort mit geschlossener Hütte an. Die unbefestigten Wege sind voller Pfützen und in dem tiefen, schlammigen Boden fällt das Radfahren schwer – oft muss ich auch absteigen. Mein erstes Ziel ist die große Aussichtsplattform bei der Graurinderkoppel (Plan und Bild), die in der Bewahrungszone Sandeck-Neudeck liegt. Von hier hat man einen fantastischen Blick über die Steppenlandschaft (Bild) des Seewinkels. In dem einzigen Baum, der in westlicher Richtung zu sehen ist, haben sich Turmfalken (Bild) ein Nest gebaut und sind noch am Brüten.
Die flötenden »tlüü-tlüü-tlüü«-Rufe (> xeno-canto.org) des Rotschenkels hört man am Neusiedler See um diese Jahreszeit ständig. Von Mitte März bis Ende Juni ist der Rotschenkel (Bild) an den meisten Lacken anzutreffen. Das Gebiet ist der wichtigste Brutplatz in Österreich. Je nach Wasserstand schwankt der Brutbestand zwischen 50 und 200 Paaren (Quelle und mehr Infos > Webseite Nationalpark Neusiedler See). Anhand seiner roten Beine und des schwarz-roten, geraden, mittellangen Schnabels ist der Rotschenkel verhältnismäßig leicht zu erkennen. Er brütet in Feuchtwiesen, Marschen und Sumpfgebieten. In Deutschland liegt sein Hauptverbreitungsgebiet entlang der Küsten. Kleinere Populationen finden sich auch in binnenländischen Feuchtgebieten in Ostdeutschland.
Am Kanalufer taucht ein Seidenreiher (Bild) auf. 1998 wurde er in diesem Gebiet erstmals als Brutvogel nachgewiesen. Seidenreiher brüten hier zwar nicht jedes Jahr, aber manchmal sind bis zu fünf Paare im Schilfgürtel des Neusiedler Sees anzutreffen. Mittlerweile ist in der Hütte ein Greifvogel-Spezialist aus Bayern angekommen. Wir kennen uns von einer früheren Vogeltour. Durch ihn erfahre ich von den beiden Seeadlern (Bild), die in südlicher Richtung in der Nähe zur ungarischen Grenze auf einer Wiese bzw. auf einem aus dem Boden ragenden Ast sitzen. Ein Paar brütete in den letzten Jahren am Neusiedler See und mehrere im ungarischen Teil des Nationalparks. In den Wintermonaten halten sich im Seewinkel bis zu 30 Seeadler auf (Quelle und mehr Infos > Webseite Nationalpark Neusiedler See). Wir lassen die beiden ruhenden Seeadler die nächsten Stunden nicht aus den Augen. Anscheinend gefällt ihnen der Platz, denn sie bewegen sich nicht von der Stelle.
Zur Mittagszeit haben sich die grauen Wolken verzogen und ich beschließe, zu den Wörthen Lacken (Plan) zu fahren. Ein in den meisten Ortschaften des Gebietes heimischer Brutvogel ist der Weißstorch. Auch in Apetlon sind zwei Weißstörche (Bild) auf ihrem Horst anzutreffen. An den Wörthen Lacken angelangt fallen mir die hübschen Säbelschnäbler (Bild) auf, die auch hier schon – wie am Unterstinkersee – beim Brüten sind. Eigentlich bin ich ja wegen der Weißflügel-Seeschwalben gekommen, die in dieser Gegend gesichtet wurden. Doch erst am Ende der Tour finde ich sie, allerdings in großer Distanz. Dafür kann ich Uferschnepfen (mehrere davon auf den Bildern) lange und aus nächster Nähe studieren. Nur wenige Meter vom Weg entfernt sehe ich einen Vogel, wie er bedächtig und mit ruhigen Schritten zwischen den hohen Gräsern im Boden stochert. Um ihn nicht zu stören, schleiche ich ganz langsam auf den Aussichtsturm. Bald kommen mit lauten, schnellen Rufen (Tonbeispiel > xeno-canto.org) weitere Uferschnepfen angeflogen. Es gibt aufgeregte Begrüßungsszenen. Oder sind es vielleicht Revierkämpfe? Als sie sich dann wieder beruhigt haben, suchen sie gemeinsam nach Insekten und Würmern oder genehmigen sich ein Nickerchen. Mit zwischen 55 und 110 Paaren ist die Uferschnepfe ein häufiger Brutvogel im Nationalpark. Nach der Brutzeit lassen sich große Ansammlungen mausernder Uferschnepfen beobachten (Quelle und mehr Infos > Webseite Nationalpark Neusiedler See). Die Uferschnepfe brütet in Feuchtwiesen und Niedermooren. Der große Watvogel hat lange schwarze Beine und einen langen geraden Schnabel. Letzerer ist eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zur Pfuhlschnepfe. Beide Vogelarten ähneln sich sehr, die Pfuhlschnepfe besitzt aber einen etwas kürzeren, nach oben aufgeworfenen Schnabel. Im Flug sind bei der Uferschnepfe die breiten weißen Flügelstreifen und der weiße Bürzel gut zu sehen. Im Gegensatz zur Pfuhlschnepfe weist die Uferschnepfe eine schwarze Schwanzbinde auf, die Zehen stehen deutlich über.
Beim Verlassen des Turmes entdecke ich am Holzboden noch ein kleines grünes Fröschchen. Der Laubfrosch (Bild) gönnt sich hier in luftiger Höhe wohl eine Pause. Auf der Rückfahrt treffe ich zufällig Markus. Wir tauschen uns bezüglich unserer Sichtungen aus. So erfahre ich, dass in dem Schilfgebiet südlich der Wörthen Lacken, vor dem wir gerade stehen, Rohrdommeln leben und man diese auch hören kann. Nach unserem Gespräch verweile ich eine Zeit lang vor dem Schilf. Und schließlich vernehme ich die tiefen »whuump«-Rufe der Rohrdommel (Tonbeispiel > Avisoft Bioacoustics). Das ist sehr beeindruckend. Ein Bild von der Rohrdommel siehe März 2013.
Vogeltagesliste: Höckerschwan, Graugans, Brandgans, Stockente, Schnatterente, Löffelente, Krickente, Kolbenente, Jagdfasan, Schwarzhalstaucher, Rohrdommel (Gesang), Seidenreiher, Silberreiher, Weißstorch, Löffler, Seeadler (2), Rohrweihe, Turmfalke, Blässhuhn, Säbelschnäbler, Stelzenläufer, Flussregenpfeifer, Seeregenpfeifer, Kiebitz, Rotschenkel, Uferschnepfe (7), Lachmöwe, Mittelmeermöwe, Weißflügel-Seeschwalbe, Weißbart-Seeschwalbe, Straßentaube, Ringeltaube, Türkentaube, Kuckuck, Feldlerche, Haubenlerche, Rauchschwalbe, Nachtigall, Hausrotschwanz, Amsel, Sperbergrasmücke (Gesang), Schilfrohrsänger, Drosselrohrsänger, Nebelkrähe, Rabenkrähe (?), Star, Pirol (rufend), Haussperling, Feldsperling, Stieglitz, Grünfink, Girlitz, Rohrammer, Grauammer
Weitere Neusiedler-See-Touren im September 2014.